So ungefähr mit 15 war ich noch der Überzeugung, dass man Mixtapes auch „Complications“ nennen könnte. Es dauerte eine Weile, bis mir auffiel, dass „Compilation“ der richtige Begriff ist. Aber gut, noch ein paar Jahre früher hatte ich sogar geglaubt „write bag“ sei ein korrekter Briefschluss.
Jedenfalls habe ich unzählige Mixtapes (ich weiß tatsächlich nicht mehr, wie ich sie damals nannte, ich glaube, ich habe einfach gesagt, dass ich „eine Kassette aufnehme“) zusammengestellt und verschenkt. Voll mit jeder Menge innerer Complications, Geheimbotschaften und meinen aktuell liebsten Liedern. Oder mit denen, die mich eventuell cool wirken lassen könnten. So gegen 1998 hatte ich beispielsweise eine schlimme harsh noise-Phase, obwohl mir harsh noise (mit wenigen Ausnahmen) eigentlich selbst auf die Nerven ging und ich heimlich lieber Depeche Mode und PJ Harvey hörte. Wobei ich die Mixtapebeschenkten nicht mit noise quälte (außer, sie hatten es verdient *), sondern immer auf der Suche war nach der musikalischen Schnittstelle zwischen der Person und mir.
(* Okay, das ist nicht wahr. Aber mit selbst gespielter Blockflöte, damit habe ich zumindest einige wenige erfreut.)
Es gab die 90 Minuten-Tapes, an denen ich lange arbeitete, nach jedem Lied probierte, was als nächstes am Besten passen würde oder auf gute Weise genau das nicht. Je verliebter ich war, desto häufiger und länger die Tapes. Je dringender es war, desto kürzer. Unter 60 Minuten machte ich es allerdings nicht, 60 Minuten mussten sein. (Sollte ich jemals doch ein 46-Minuten-Tape aufgenommen haben, war es ein Notfall.) Wichtig war außerdem immer, dass kein Knacksen zwischen den Liedern entstand; um das zu vermeiden, spulte ich notfalls auch dreimal zurück, fadete vorsichtig aus, hörte nochmal, nahm weiter auf. Die schönsten Leerkassetten (fand ich damals) waren entweder komplett mattschwarz oder komplett transparent. Als Profi krackte ich natürlich am Ende den Kunststoffknurpsi (Fachbegriff) heraus, damit die Kassette nicht versehentlich überspielt werden konnten. (Manchmal überklebte ich auch die Überspielschutzlücke alter Hörspielkassetten, löschte sie und bespielte sie anschließend neu. War allerdings nur bei schlimmem Kassettenmangel zulässig.)
So gegen 2000 ging ich dann dazu über, meine komplizierten Gefühle auf CD zu brennen, noch später dazu, sie als mp3-Listen zu speichern und von da wanderte ich (über Umwege wie Opentape) irgendwann zu Spotify, wo ich mittlerweile relativ regelmäßig Playlists veröffentliche. Manche davon sind immer noch für eine einzelne Person, diese hier habe ich z.B. für eine Freundin erstellt und für ihr Auto-Tapedeck auf Kassette überspielt, deshalb ist sie auch verhältnismäßig lang (90 Minuten!). For the Byrds war für meine amerikanischen Verwandten, zur Erinnerung an Erlebnisse während meines Besuchs bei ihnen, Summen Paradiso ist nur für mich und alle anderen, die gute Laune von traurigen Liedern bekommen (empfehle speziell „four ethers“). Naja, und so weiter.
Das schöne an den Compilations war auch, dass ich natürlich nicht die einzige war, die sie aufnahm. Ich habe immer noch um die 20 Kassetten, die mir Freund*innen im Lauf der Jahre geschenkt haben. Ziemlich ungewöhnlich, zumindest für mich, da ich ansonsten stark zum Wegwerfen neige.
Alle Listen finden sich hier, die neueste, die der Auslöser für diesen Text war, da. Ich freu mich (wie früher) immer darüber, wenn ich eine Kassette zurückbekomme. Schreibt also Tasche. Eure Judith